Was ist ein Ropemodel und warum verwende ich die Bezeichnung Bunny nicht?

von | 24. Jan.. 2024

In der japanischen Kunstform Shibari gibt es eine Hauptrolle, die für die Schaffung von Fesselungen von zentraler Bedeutung ist – das Ropemodel. Diese Personen werden gefesselt, empfangen das Seil und erleben nicht nur eine einzigartige Verbindung von Ästhetik, Vertrauen und künstlerischem Ausdruck, sondern sind auch aktive Teilnehmer/innen in der Erschaffung optisch ansprechender Kunstwerke.

Das Ropemodel

Im Shibari ist das Ropemodel so etwas wie der Star auf der Bühne. Von außen sieht es so aus, als wäre das Model passiv, stellt den Körper für Fesselungen zur Verfügung. Dabei ist ein Model genauso aktiv an einer Fesselung beteiligt, wie die fesselnde Person (Rigger/in). Dadurch entsteht eine einzigartige Verbindung zwischen der visuellen Schönheit der Fesselungen und den Emotionen, dem Vertrauen und der künstlerischen Ausdrucksweise des Models.

Das Ropemodel entscheidet sich ganz bewusst dazu, ein Teil der Fesselung zu sein. In einer Welt, in der Einvernehmlichkeit, Respekt und Kommunikation an erster Stelle stehen, behält das Model am Ende immer die Kontrolle über die Situation. Die fesselnde Person führt aus, was besprochen wurde. Das Model hat jederzeit die Möglichkeit, die Session mit einem Wort (Safeword) zu beenden.

Viele Ropemodels wie auch ich selbst spüren beim Fesseln ein Gefühl von Freiheit, eine Möglichkeit sich selbst auszudrücken und einer tieferen Verbindung zu ihrem eigenen Körper herzustellen. Durch das Gehalten werden und Umarmen den Seilen wird das Nervensystem des Models reguliert. Fesselungen bieten eine transformative Erfahrung, die über das rein Physische hinausgeht und eine intensive emotionale sowie spirituelle Dimension erreichen kann.

Das Model ist somit viel mehr als nur ein „Opfer“ der Seile. Es wird zur aktiven Mitgestalter/in bei denen der Körper selbst zur Leinwand wird. Die geschickte Anwendung von Seilen schafft nicht nur ästhetische Schönheit, sondern betont auch die natürlichen Formen und Konturen des menschlichen Körpers.

Wichtig ist zu betonen, dass Ropemodels in vielerlei Hinsicht vielfältig sind. Die Kunst der Fesselung ist für Menschen unterschiedlicher Körpertypen, Geschlechter und Hintergründe zugänglich. Jeder Körper kann auf einzigartige Weise in die Kunst integriert, wodurch eine breite Palette kreativer Möglichkeiten entsteht. Shibari ermutigt dazu, die Schönheit und Vielfalt des menschlichen Körpers zu feiern und gleichzeitig eine Atmosphäre des Respekts und der Akzeptanz zu fördern.

Weitere Bezeichnung der gefesselten Person

Für die gefesselte Person bzw. seilempfangende Person gibt es einige Bezeichnungen. Bunny, Ukete und Ropemodel sind die Gängigsten.

  • Bunny: Zu Beginn meiner Shibari-Reise habe ich mich ohne nachzudenken hinreißen lassen, mich selbst und auch andere gefesselte Personen als „Bunny“ zu bezeichnet. Im ersten Augenblick, klingt dies ganz niedlich, süß und man hat vielleicht das Bild eines kleinen weißen Kaninchens im Kopf. Je mehr Zeit ich in der Shibari Szene verbringe wurde mir klar, dass das Wort „Bunny“ viel mehr in den Köpfen erzeugt, als ein Tier. Mittlerweile finde ich persönlich die Bezeichnung „Bunny“ für die gefesselte Person sehr abwertend und entspricht nicht dem, was ein Ropemodel aus meiner Sicht ist.

  • Ukete: Dieser Begriff ist in der deutschen Shibari Szene recht neu. Ukete (japanisch) bedeutet so viel wie „empfangende Hand“. Das Schöne an dieser Bezeichnung ist, dass es alle Gender-Identifikationen problemlos einschließt. Auch gibt es keine Unterscheidung zwischen einer Einzelperson oder einer Gruppe. Die Bezeichnung Ukete ist für mich noch recht neu und fühlt sich daher für mich noch nicht stimmig an, aber dies kann sich über die Zeit auch ändern.

Für mich ist die gefesselte Person / seilempfangende Person ein Ropemodel. Diese Bezeichnung ist ebenfalls für alle Gender anwendbar und lässt, aus meiner Sicht, keinen Raum für abwertende Interpretationen.

Welche Rollen gibt es noch im Shibari?

Im Shibari gibt es neben dem Ropemodel noch weitere Rollen, welche für eine Session notwendig sind:

  • Rigger/Bakushi (fesselnde Person): Der Rigger ist die Person, die die Fesselung durchführt. Dies erfordert nicht nur technische Fähigkeiten, auch künstlerische Sensibilität und Empathie, um ästhetische und sichere Bindungen zu schaffen. Der Rigger ist verantwortlich für die physische Umsetzung der Seiltechniken und trägt die Verantwortung für das Wohlbefinden des Models.
  • Fotograf: In einigen Shibari-Session kann ein Fotograf anwesend sein, um die kunstvollen Fesselungen visuell festzuhalten. Die Fotografien können dazu dienen, die Ästhetik der Seilbindungen zu dokumentieren und können auch vom Model und Rigger als Erinnerung an die gemeinsame Erfahrung genutzt werden.
  • Spotter (Aufpasser): In manchen Fällen, insbesondere wenn komplexere oder anspruchsvolle Fesselungen angewendet werden, kann ein Spotter anwesend sein. Dies ist eine zusätzliche Person, die darauf achtet, dass die Bindungen sicher sind und gegebenenfalls assistiert. Der Spotter trägt dazu bei, dass die Sicherheit des Models und des Riggers während der Session gewährleistet ist.

Fazit: Ropemodels, mehr als nur ein Körper im Seil

Ropemodels sind weit mehr als bloße Leinwände für das Seil. Sie sind aktive, bewusste Gestaltende einer tiefen, intensiven Erfahrung – sowohl für sich selbst als auch für ihren Rigger. Shibari ist nicht nur eine Form der Verbindung, sondern ein Raum, in dem sich Selbstausdruck, Hingabe und Vertrauen begegnen.

Die Entscheidung, sich ins Seil zu begeben, ist eine Wahl für Selbstentdeckung, Sinnlichkeit und bewusst gelebte Grenzen. Es geht nicht darum, einfach nur gehalten zu werden – es geht darum, den eigenen Körper, die eigenen Emotionen und die eigene Kraft zu spüren. Ein Ropemodel gibt nicht einfach Kontrolle ab, sondern gestaltet die Session mit, kommuniziert Bedürfnisse und setzt Grenzen, um eine Verbindung zu erschaffen, die auf Vertrauen basiert.

Die Dynamik zwischen Ropemodel und Rigger ist dabei essenziell. Shibari entsteht nicht durch einen allein – es ist ein Zusammenspiel. Es ist ein Dialog zwischen Seil, Körper und Emotionen, bei dem beide Beteiligten Verantwortung tragen. Kommunikation ist dabei das Fundament – durch sie wird sichergestellt, dass jede Session nicht nur sicher, sondern auch tiefgehend, erfüllend und spielerisch bleibt.

Ropemodels sind nicht passiv, nicht nur Mittel zum Zweck, sondern der lebendige Kern von Shibari. Sie sind fühlend, entscheidend, präsent. Und genau das macht Shibari so einzigartig: Die Freiheit, sich im Seil selbst zu entdecken – mit allem, was dazugehört.

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