Die Schattenseite von Shibari – meine Erfahrung

von | 20. Feb. 2024

Auf meinem Shibari-Weg habe ich immer Unterstützung aus der Szene erhalten. Auf die eine oder andere Art und Weise, aber immer Zuspruch für das was ich mache. Allerdings auch Zuspruch für Dinge, die nicht sehr gut gelaufen sind.

Ich spreche hier eine Triggerwarnung aus. Diese Warnung spreche ich nur hier aus und wiederhole sie nicht. Im Folgenden werde ich über übergriffiges Verhalten, Konsensverletzungen und traumatisierende Erfahrungen im Seil sprechen.

Problematik

Bei den Fesseltreffen, welche ich besuchte, war eine Sache immer sehr präsent: Es ist wichtig viele Fesselpartner zu haben. Egal ob Ropemodel oder Rigger, je mehr, desto besser. Noch besser war es dann natürlich, wenn mit einer Person gefesselt wurde, welche in der Szene als Ropemodel oder als Rigger berühmt ist.

Dies implizierte zumindest für mich, je mehr, desto besser steht vor Absicherung und Nachdenken.

Situation Nr. 1

Ich hatte als Ropemodel ein Erlebnis mit einem Rigger, welcher in der Szene sehr bekannt war. Wir beide waren zum damaligen Zeitpunkt im selben Alter. Durch das Schicksal traten wir in Kontakt, er suchte damals ein Ropemodel für einen Workshop, ich hatte Lust an einem Workshop als Ropemodel teil zunehmen. Die Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen und habe mich umgehend bei ihm gemeldet.

Wir merkten schnell, dass wir Lust hatten, gemeinsam zu fesseln. Für den Workshop hat es mir leider nicht gereicht, doch wir trafen uns privat. Zum damaligen Zeitpunkt gab es schon einige Redflags, welche ich aber dank meines Ego großzügig übersah. Mich trieb damals das Ansehen, welches ich erhalten würde, wenn ich mit diesem berühmten Rigger fesseln würde.

Es kam das Wochenende, an dem wir uns das erste Mal real trafen. Natürlich blieb es nicht bei einem Pläuschchen, wir fesselten direkt. Er fesselte mich in eine sehr herausfordernde Suspension. Für mich als damalige Anfängerin absolut überfordernd. Doch dies wollte ich nicht zugeben. Es ging schließlich darum, durchzuhalten und nicht zu versagen.

Nach kurzer Zeit in der Suspension merkte ich, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmte. Ich fühlte mich nicht wohl in der Fesselung und schon zweimal nicht in der Suspension. Ich kommunizierte dies klar mit dem Rigger und bat ihn, mich sofort auf den Boden zu lassen und die Seile von meinem Körper zu lösen.

Doch leider wurde dies durch den Rigger nicht durchgeführt. Ganz im Gegenteil. Er führte noch eine Transition (von einer Figur zur nächsten) durch und ließ mich dann herunter. Ich war somit gegen meinen Willen länger in der Suspension und in den Seilen wie ich es wollte.

Doch was hätte ich tun sollen? Ich war gefesselt, konnte nichts dagegen tun. Der Rigger verkaufte mir die Situation so, dass dies zu einer Shibari-Session dazugehören würde. Es gäbe schließlich zwischen Rigger und Ropemodel ein Machtgefälle. Damals schluckte ich den Köder, da ich uniformiert und naiv war. Heute weiß ich, dass dies eine Konsensverletzung bis hin zu einem übergriffen Verhalten seiner Seitens war.

Situation Nr. 2

Mir war immer bewusst, dass Shibari ein Hochrisikosport ist. Dass es Verletzungen wie eine Fallhand gibt und wie diese bei Shibari entstehen kann. Ich wusste auch, wie ich ganz leicht als Ropemodel prüfen kann, ob ich eine Fallhand habe oder nicht. Doch all dieses theoretische Wissen bringt einem nichts, wenn die Situation dann tatsächlich eintritt.

Ich war mit meinem ersten Rigger in London. Dort hatten wir bei einem namhaften Rigger privaten Shibariunterricht gebucht. Ein Tag vor dem Unterricht erkundeten wir Abends die BDSM-Szene in London und nahmen an einer BDSM-Play-Party teil. Auch wir spielten.

Mein Rigger fesselte mich in eine Side-Suspension (dabei liegt das Ropmodel auf einer Seite in der Luft) und baute gewisse SM-Elemente in das Fesseln mit ein. Mein Kopf/ Verstand war im Subspace (eine Art meditativer Zustand). Plötzlich hörte ich seine Stimme mit den Worten: „Drück bitte mal gegen meine Hände“. Dabei realisierte ich, dass ich eine Hand nicht mehr bewegen konnte.

Der Notfallplan sprang an. Mein Rigger holte mich sofort auf den Boden, fesselte meinen Oberkörper ab. Dabei realisierte ich, dass ich auf meiner rechten Seite eine Fallhand habe (super als Rechtshänderin). Ich wusste, was ich zu tun hatte und begann im Moment mit Übungen, um meine Nerven anzusteuern. Mein Rigger war mit der Situation überfordert, so sehr, dass ich ihn auffangen musste, obwohl ich anderen Sorgen hatte.

Ich konnte für knapp zehn Minuten meine Hand nicht ansteuern. Sie hing da einfach an meinem Arm. Nach dieser Zeit erhielt ich langsam die Kontrolle über Hand sowie Finger zurück. Insgesamt hatte ich allerdings neun Monate mit den Folgen meiner Fallhand zu kämpfen. Beispiel: Mir tat das Berühren von Wasser weh.

Ich wusste schon immer: Die Frage ist NICHT, OB man als Ropmodel jemals eine Fallhand haben wird, sondern WANN.

Ich war also mit der Thematik vertraut und wusste, wie ich mich zu verhalten hatte, um meine Genesung voranzutreiben. Womit ich allerdings absolut nicht gerechnet hatte, war die Unverantwortlichkeit meines Riggers mir gegenüber. Er ließ mich mit meinen Arztterminen, den Kosten für die Medikamente sowie emotional einfach alleine.

Zur Erinnerung, ich war Mitte 20. Niemand in meinem Umfeld wusste, über mein Hobby Bescheid. Meine Ärzte kannten mich seit dem ich ein Baby war und somit auch meine Eltern. Ich hatte also einige mentale Dämonen, welchen ich in dieser Zeit begegnen durfte und alles ohne meinen Rigger.

Der Höhepunkt meiner Beziehung mit meinem Rigger kam dann einige Zeit nach meiner Fallhand. Es war klar, ich war eingeschränkt, konnte nicht in Standards gefesselt werden. Ergo ersetzt mich mein Rigger mit einem anderen Ropmodel, mit der Aussage zur mir: „Ich wäre ja behindert und für die Fesselung unbrauchbar“.

Dieses Ereignis, diese Aussage von einem Menschen, dem ich mein Leben, meine Gesundheit, mein Wohlergehen anvertraut hatte, war eine der traumatischen Erfahrungen, welche ich je im BDSM Bereich erfahren musste.

Fazit: Wenn es andere nicht können, mach es selber!

Nach diesem zwei Situationen war für mich klar, es muss sich etwas in meinem Leben, in meiner Einstellung ändern. Denn egal, mit wem ich damals von meinem Stammtisch sprach, alle unterstützten den Rigger, anstatt mich. Viele meiner damaligen Fesselpartnerschaften lösten sich auf. Ich begann mich zu hinterfragen, meine Einstellung zur Shibari-Szene und Ropmodels über Risiken und Redflags von Riggern aufzuklären.

Leider wird viel zu wenig über solche Situationen gesprochen, da es sofort von Riggerseite aus heißt „Verleumdung“.

Aus diesem Grund biete ich die „Fesselnde MeTime“ an. Ich möchte für Menschen, welche Shibari erfahren möchten ein SaferSpace bieten. In denen sie sich ausprobieren können, ohne Sorge haben zu müssen, dass ich als ihr Rigger über Grenzen gehe, oder sie nach einer Shibari Session alleine lasse.

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