Sichtbarkeit – Endlich ist es raus!

von | 30. Okt. 2023

Sabine Beck von beckandbold.com lädt unter dem Thema: „Wie überwindest Du Deine Angst vor Sichtbarkeit?“, zur Blogparade ein. Diese Einladung nehme ich gerne an. Das Thema könnte in meiner aktuellen Situation auch nicht passender sein.

Seit über 20 Jahren habe ich eine Seite von mir verstecke, welche mehr als nur ein Hobby oder eine Phase ist. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich mein ganzes Privatleben verstecken müssen. Ich habe nach Außen hin wie ein Doppelleben geführt, damit ich dazu gehöre und passe. Dieses Doppelleben habe ich vor 22.10.2023 aufgegeben und mich öffentlich auf Social Media geoutet und mich sichtbar gemacht.

Was ist Sichtbarkeit?

Sichtbarkeit bedeutet, dass etwas für das menschliche Auge erkennbar ist. Es ist das Maß dafür, wie leicht wir Objekte oder Informationen sehen können, sei es in der physischen Welt oder online. Zum Beispiel: Wenn die Sonne untergeht, verlieren die Berge ihre Sichtbarkeit im Dunkeln.

Sichtbarkeit im Kontext eines Outings bedeutet, dass jemand offen und ehrlich über seine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität spricht. Wenn eine Person sich outet, macht sie ihre eigene Identität sichtbar für andere. Dieser Akt ist mutig und wichtig, denn er trägt dazu bei, Vorurteile und Missverständnisse zu verringern.

Wenn jemand sich outet, macht er seine innere Wahrheit sichtbar für Freunde, Familie und die Welt. Diese Sichtbarkeit ist ein Schritt hin zu mehr Verständnis und Akzeptanz für die LGBTQ+-Gemeinschaft. Sie ermöglicht auch, dass sich andere, die sich vielleicht in ähnlichen Situationen befinden, besser verstanden und unterstützt fühlen.

Die Sichtbarkeit im Zusammenhang mit einem Outing ist eine kraftvolle Art, Vorurteile zu durchbrechen und für die eigenen Rechte und Identität einzustehen. Es ist ein Akt der Selbstakzeptanz und der Hoffnung, dass durch diese Offenheit eine inklusivere und tolerantere Gesellschaft geschaffen werden kann.

Endlich ist es raus

Am 22.10.2023 habe ich es öffentlich gemacht, mich und mein Business geoutet.

  • Die Positionierung meines Business ändert sich von Finanzen zu Sexualität & Partnerschaft
  • Ich bin Riggerin & Ropemodel

Bis ich zu diesem Punkt kam, war es ein langer und für mich sehr harter Weg. Einen kleinen Einblick in meinen aktuellen Prozess gebe ich in meiner Blogreihe „Mutig über Grenzen“. Dieser Weg begann nicht erst Anfang Juli 2023, sondern schon deutlich früher.

Muss das sein?

Ganz klar, NEIN! Du musst Dich nicht zeigen, Du musst nicht sichtbar sein, Du musst Dich nicht outen. Du musst nämlich gar nichts. Es ist sehr individuell und subjektiv. Ich verstehe, wenn sich viele Menschen unter Druck fühlen, sich zu zeigen. Sei es Menschen aus der LGBTQ+ Community oder aus der Online-Business-Branche.

Überall hört man nur, Sichtbarkeit ist wichtig, Sichtbarkeit ist gut, ohne Sichtbarkeit kommst Du nicht weiter. Aus einer Perspektive ist dies richtig. Doch, ist es für Dich und Deinen individuellen Weg das Richtige? Ist es gesund für Dich, oder überfordert es Dich einfach nur?

Du musst Dich nicht zeigen. Du kannst es, wenn es an der Zeit ist (Dein Timing).

Meine Geschichte

Mein bewusster Prozess, mein Privatleben zu outen, begann vor ca. elf Jahren kurz nach der Trennung meines Ehemannes. Doch anstatt zu mir zu stehen, authentisch zu sein, zu den Menschen zu stehen, welche um mich herum waren, wählte ich den bequemen Weg. Ich wollte nicht seltsam sein, keine neuen Konflikte oder Diskussionen eingehen.

Ich war einfach zu müde dafür. Hatte keine Kapazitäten. Stattdessen durfte ich mir immer wieder anhören (Konditionierung eines Rollenbildes), wie wichtig es sei, in das Image eines Bankers zu passen und die Bank ordentlich zu vertreten. Ich habe gesehen, wie Menschen, welche sich geoutet haben, Spitznamen wie „die Lesbe vom Dorf“ bekommen haben oder Ihr Vorname wurde verniedlicht. Das wollte ich damals auf keinen Fall.

Um sichtbar zu sein, braucht es aus meiner Sicht sehr viel Ressourcen, der unterschiedlichsten Art. Allen voran Sicherheit, Vertrauen und Mut. Dies hatte ich alles nicht. Zusätzlich ist ein Umfeld nötig, welches einen 100 % unterstützt, hält und befürwortet, egal was man vorhat.

Dieses Umfeld habe ich gefunden, als ich meine Heimat verlassen und nach München gezogen bin. In München habe ich zwar dann mein Business gegründet, doch für mein Herzensthema losgehen, dafür fehlten mir die restlichen Ressourcen. Es ist ein Prozess, ein Weg. Ein Auf und Ab.

Immer wieder wurde ich mit Situationen konfrontiert, in denen ich mich mit meinem Herzensthema und meinem Outing sichtbar hätte machen können, doch es war für mich nie das richtige Timing. Ich habe in dieser Zeit viel innere Arbeit via ThetaHealing® geleistet und meine Themen (Dekonditionierung) aufgeräumt.

Im April 2023 stellte Judith Peters in einem Live-Workshop die Frage der Fragen: Worüber willst Du bloggen, traust Dich aber noch nicht? Ich wusste es sofort und sprach es zum ersten Mal laut vor über 60 Menschen aus. Ich fühlte mich unter diesen Menschen sicher und hatte vertrauen. Dennoch war es für mich ein riesen Schritt, so gesehen zu werden.

Es sollte allerdings dann nochmals mehr als sechs Monate dauern, bis ich dann auch wirklich darüber schreiben würde und bis ich meine Positionierung für mein Business ändern konnte. Prozesse, egal welcher Art verlaufen aus meiner Sicht nicht linear, sondern wie in Wellen. Es ist wie eine Achterbahn. Nach dem ersten Erfolg kommt ein Plateau und man steckt fest, so wie bei mir, oder es kommt ein Looping.

Der Verlauf eines Prozesses

Wenn ich meinen elfjährigen Prozess nun von Außen betrachte, stelle ich allerdings fest, dass ich nie einen Rückschritt gemacht habe, es ging immer Bergauf, nur eben nicht linear.

Die Reaktion

Nachdem ich privat wie auch im Business mich geoutet hatte, hatte ich mich auf eine riesige Reaktionswelle und viele Diskussionen eingestellt. Nichts der Gleichen ist passiert. Ganz im Gegenteil, ich habe viel Zuspruch und Bestätigung erhalten. Gleichzeitig habe ich neue Menschen kennengelernt, welche sich nicht bemerkbar gemacht hätten, hätte ich mich nicht gezeigt.

Wie lerne ich Ressourcen?

Es gibt unterschiedliche Strategien, Ressourcen aufzubauen. Ich teile hier mit Dir meine Strategien anhand der o. g. Ressourcen.

  • Sicherheit: Sich erden in Form von barfuß laufen (Barfußschuhe) / Erdungsmeditation / Sich mit seiner Vorstellungskraft mit Becken und Perineum verbinden/ sich mit Dingen umgeben, welche eine Sicherheit geben (Kuscheltier, Gewichtsdecke, Duft) / ThetaHealing® zu diesem Thema / Integration Frühkindlichereflexe (NPE)

  • Mut: Solarplexusmeditation / ThetaHealing® zu diesem Thema / Mut üben in Form von Kleinigkeiten, welche Überwindung kosten /

  • Vertrauen: ThetaHealing® zu diesem Thema / sich für mind. 15 Minuten halten lassen / Menschen im Umfeld haben, welche loyal sind und gewaltfrei kommunizieren / Vertrauen kommt, wenn Du Dich sicher fühlst

Fazit

Für Sichtbarkeit bedarf es ein gesundes Umfeld, die Ressourcen Mut, (Selbst)Vertrauen, Sicherheit und Geduld mit sich selbst. All diese Ressourcen sind erlernbar und mit der richtigen Person an Deiner Seite, auch mit Freude. Dies durfte ich am eigenen Leibe erfahren.

Doch die größte Sache, die Bereitschaft dafür, sich zu zeigen liegt einzig und alleine in der eigenen Hand.

Wir sind nicht mehr, wie früher als Kinder abhängig von unserem Stamm/ Familie/ Dorf/ Tribe/ Gesellschaft. Wir können ohne überleben! Diese Erkenntnis darf uns bewusst werden, dann lebt es sich viel leichter.

Sichtbar zu sein, wie man ist und für das, was einen berührt, ist das größte Geschenk, welches wir uns selbst schenken können.

5 Kommentare

  1. Claudia

    Liebe Julia,
    Ich freue mich sehr, dass du sichtbar (geworden) bist. Du hast der Welt so viel zu geben und zwar so, wie du bist!
    Danke für deinen wunderbaren Artikel.
    Alles Gute
    Claudia

    Antworten
  2. Sabine Beck

    Liebe Julia,

    ich danke Dir sehr für diesen sehr persönlichen Artikel im Rahmen meiner Blogparade. Ganz viel Respekt dafür, dass DU all das so offen und ehrlich schreibst und beschreibst. Ich freue mich sehr, dass Dein Thema Outing meine Blogparade bereichert!!!

    Dein finaler Satz „Sichtbar zu sein, wie man ist und für das, was einen berührt, ist das größte Geschenk, welches wir uns selbst schenken können.“ – so schön, so stark!

    Für mich zeigt Dein Beitrag sehr klar, sehr strukturiert, übersichtlich und nachvollziehbar die großen Kapitel der Auseinandersetzung mit sich selbst, die hinter „Sichtbarkeit“ stehen (können).

    Total spannend war für mich, dass ich das Thema „Outing“ (im Kontext Sexualität und Partnerschaft) bislang gar nicht so recht auf dem Schirm hatte. Und jetzt denke ich: KLAR! Eins DER Themen im Kontext Sichtbarkeit und Mut.
    UND KLAR: Es sind gerade die Themen, die „ungewohnt“, „fremd“, „riskant“ … sind, die uns beim Sichtbar machen und werden besonders in Atem halten und beschäftigen. Bei mir war es schon mehrmals das Thema „Krankheit“, was man ja tendenzielle eher verschweigt, klein macht…

    Und: Den „Es passiert nichts (Schlimmes)“ Moment zur erleben, wenn man sich traut. Den kenne ich auch sehr gut. Verrückt. Man plagt sich ewige Zeiten durch Gedankentürme und Emotionswirrwarr, um dann festzustellen: Hey, es hat eigentlich viel mehr positive als negative Auswirkungen, wenn ich offen und ehrlich bin.

    Da das hier ja ein Kommentar und kein ganzer Artikel werden soll, möchte ich Dir noch dieses Feedback geben:
    – Natürlich wird man ganz neugierig und möchte wissen: Was ist den eine Riggerin, ein RopeModel?
    – Wie klar Du das Thema „Ressourcen“ aufgreifst und in Bezug zur Sichtbarkeit setzt finde ich klasse. Deine Erklärungen und Links dazu sind spannend und hilfreich.

    An vielen Stellen Deines Beitrags habe ich gemerkt: Da, da ,da … könnte ich weiter lesen, möchte ich noch mehr wissen.

    Sprich: Ich sehe noch viele Blogartikel zu Deinem „neuen ICH“ und Deiner wirklichen Wirklichkeit.

    Danke fürs Teilen und viel Freude auf dem weiteren Prozessweg 🙂

    Liebe Grüße, Sabine

    Antworten
    • Julia

      Hallo Sabine,
      wow, ich danke Dir für Deine Worte und natürlich für Deine Blogparade.
      Ohne diese hätte ich wohl nie so klare Worte finden können.
      Es freut mich, dass ich Dir mit meinem Outing auch einen weiteren Blickwinkel in Bezug auf Sichtbarkeit eröffnen konnte.

      Liebe Grüße
      Julia

      Antworten
  3. Sylvia Tornau

    Liebe Julia, danke für deinen Artikel, der mich glatt dazu ermutigt, auch an der Blogparade von Sabine Beck teilzunehmen.
    Dein langer Prozess – so schön, dass er für dich keinen Rückschritt beinhaltete – ist so nachvollziehbar.
    Wahnsinn, welche Verrenkungen wir unternehmen, um uns anzupassen und welche Wege gegangen werden müssen, um die Korsette der eigenen Gedanken, Emotionen und sozialen Anpassung abzulegen.
    Der Mut, den es erfordert, sich zu outen, das Vertrauen, welches aufgebaut werden muss, die sicheren Netze, die geknüpft werden.
    Die Ermutigung, die andere aus deiner Sichtbarkeit ziehen können. Danke! Danke! Danke!
    Ich fühle mich ermutigt und auch, wenn mein Lebensthema ein anderes ist, sehe ich in dir eine Wegbegleiterin, zufällig gefunden in dieser wunderbaren Community der Bloggerinnen um Judith Peters.
    Liebe Grüße Sylvia

    Antworten

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