Schmerzen bei Shibari: Schmerz ist nicht gleich Schmerz

von | 10. Feb.. 2025

Eines DER großen Themen bei Shibari überhaupt, Schmerzen. Ich bin mir sicher, Du kennst das Gefühl des Schmerzes sehr gut und tust alles dafür, dass Du diese Empfindung nicht erleben musst. Doch was sind Schmerzen, wie werden sie überhaupt ausgelöst und warum ist Schmerz nicht gleich Schmerz?

Wenn wir Shibari praktizieren, kann Schmerz dazu gehören bzw. ist ggf. sogar Hauptbestandteil des Fesselns. Es gibt also ein „guter“ Schmerz und ein „schlechter“ Schmerz. Letzteres ist das, was wir auf alle Fälle vermeiden wollen.

Was ist Schmerz?

Die Internationale Organisation für Schmerzforschung (IASP) beschreibt Schmerz als ein unangenehmes Erlebnis, das wir mit echten oder möglichen Verletzungen verbinden. Auch wenn keine sichtbare Verletzung da ist, können wir Schmerzen empfinden. Diese Definition gibt es schon lange und hilft dabei, die verschiedenen Aspekte von Schmerz zu verstehen.

Schmerz besteht aus zwei Teilen:

  1. Sinneserlebnis: Das Sinneserlebnis beschreibt, wie wir den Schmerz körperlich spüren. Zum Beispiel kann der Schmerz sich brennend, stechend, bohrend oder ziehend anfühlen. Auch die Stärke des Schmerzes spielt eine Rolle. Diese Stärke kann man mit einer Skala von 0 bis 10 einschätzen, wobei 0 „kein Schmerz“ und 10 „stärkster Schmerz“ bedeutet.

  1. Gefühlserlebnis: Der Schmerz hat auch eine emotionale Seite. Zum Beispiel kann er quälend, erschöpfend oder überwältigend wirken. Das zeigt, dass Schmerz nicht nur körperlich, sondern auch emotional belastet.

Diese beiden Aspekte – das körperliche Fühlen und das emotionale Erleben – sind immer miteinander verbunden.

Doch, warum empfinden wir Schmerz?

Schmerz gehört zu den wichtigsten Erfahrungen, die jeder Mensch im Leben macht. Er ist zwar unangenehm, aber auch überlebenswichtig. Schmerzen warnen uns vor Gefahren und schützen den Körper vor weiteren Schäden. Selbst wenn noch keine Verletzung entstanden ist, kann der Körper schon mit Schmerz auf schädliche Einflüsse reagieren.

Aus meiner Erfahrung heraus ist Schmerz ein sehr individuelles und komplexe Empfinden. Es gibt keine Schmerz-Polizei, welche Dir sagt, wann Du wie Schmerz fühlen darfst bzw. sollst und wann nicht.

Schlechter Schmerz

Schmerz ist nicht gleich Schmerz

In bestimmten Situationen, wie bei Shibari, wird es noch komplizierter, weil wir uns bewusst entscheiden, mit Schmerzen zu spielen, die normalerweise unangenehm sind. Einige Menschen möchten sogar Schmerz erleben – aber nicht irgendeinen Schmerz, sondern genau den, der zu ihnen passt.

Manchmal kann Schmerz angenehm sein, wenn er die richtige Art ist. Wenn ich Ropemodels frage, hören ich oft, was sie mögen oder nicht mögen: „Ich mag dumpfen Schmerz, aber keinen scharfen Schmerz“, oder „Ich kann Futomomo nicht ertragen, weil es meine Schienbeine schmerzt“, oder „Ich liebe Rückbeugen.“ Es hängt auch davon ab, wie stark der Schmerz ist und wie der Partner in das Erlebnis einbezogen wird.

Wichtig ist, dass sich der Schmerz im Moment gut anfühlt und absichtlich verursacht wird. Natürlich sind wir uns auch bewusst, dass bei dieser Art von Spiel tatsächlich eine Gefahr bestehen kann, denn beim Fesseln kann es zu Verletzungen kommen.

Die Frage ist also in erster Linie immer wieder ist es körperlich schädlich.

Schmerz fühlt sich gut an

Wie bereits erwähnt, kann Schmerz eine sehr subjektive Empfindung sein. Wenn Du neu in der Welt des Fesselns bist, woher kannst Du dann wissen, welcher Schmerz sich gut anfühlt und welcher nicht?

Der wichtigste Punkt ist, dass Du Dich auf das, was passiert, einlassen und dabei entspannen kannst. Tief in Dir spürst Du ein Gefühl von „Ja, das passt!“. Selbst wenn Du Dich manchmal überwältigt oder ängstlich fühlst, kann es passieren, dass Du Dich mit der Zeit an diese Empfindungen gewöhnst.

Du kannst loslassen, Deine Muskeln entspannen sich und Du kannst tief ausatmen. Dadurch verändert sich Dein Zustand, weil Dein Körper die Reize verarbeiten konnte, ohne sich dabei zu verkrampfen.

Wenn Deine innere Antwort also „Ja, das fühlt sich gut an“ ist, befindest Du Dich in der Zone des „angenehmen Schmerzes“. Was solltest Du dann tun?

Genieße es! Atme tief, spüre bewusst, was gerade passiert, und teile Deine Empfindungen mit Deinem Rigger.

Es gibt allerdings eine mögliche Gefahr: Wenn Du diesen „angenehmen Schmerz“ genießt, könntest Du vergessen, Deine Grenzen zu beachten und merkst nicht, wann es zu viel wird.

Wenn Deine innere Antwort jedoch „Nein“ lautet – das heißt, Du empfindest Schmerz, der nicht gefährlich ist, Dich aber daran hindert, Dich zu entspannen, könntest Du Dich fragen, ob Du etwas an Deiner aktuellen Lage ändern könntest.

Guter Schmerz

Schmerz fühl sich nicht gut an

Atme drei Mal tief durch – so gut es geht – und beobachte, wie Du Dich fühlst. Starke Schmerzen oder das Unwohlsein, die Szene nicht genießen zu können, können unterschiedliche Gründe haben.

  • Manchmal liegt es am Rigger: Vielleicht ist die Fesselung nicht passend für Dich, die Spannung ist falsch oder Dein Körper wurde nicht gut unterstützt.
  • Manchmal kann es an Dir selbst liegen: Vielleicht bist Du unsicher, hast Angst oder vertraust der Situation nicht.

Unser Gehirn interpretiert Schmerzsignale oft falsch. Es kann große Probleme kleinreden oder kleine Probleme übertreiben (kennst Du mit Sicherheit auch). Wie wir Schmerz empfinden, wird von unserer Stimmung, unseren Ängsten und Erwartungen beeinflusst. Wenn wir uns ängstlich oder unsicher fühlen, kann das die Wahrnehmung von Schmerz verstärken.

Mögliche Ursachen für Unsicherheit oder Angst

  • Du vertraust Deinem Partner nicht (in Bezug auf Können oder und Sicherheit).
  • Du machst Dir Sorgen über mögliche Verletzungen oder Ergebnisse.
  • Du kämpfst gegen das Seil, anstatt loszulassen und Dich hinzugeben
  • Du bist unsicher über Deine Grenzen.
  • Du weißt nicht genau, wie Du kommunizieren sollst.
  • Du fühlst dich ängstlich und erwartest Schmerzen.
  • Du hast Angst, die Kontrolle zu verlieren.
  • Du fühlst Dich mit deiner eigenen Sexualität unwohl.

Jeder kann sich hin und wieder so fühlen.

Wichtig ist zu erkennen, dass unsere innere Haltung eine große Rolle spielt. Selbst wenn die Seiltechnik perfekt ist, können wir starken Schmerz empfinden, wenn wir innerlich blockiert sind. Die gute Nachricht: Du kannst an deiner Einstellung arbeiten, wenn du das willst.

Was kannst Du tun?

  1. Atme dreimal tief durch. Beobachte, was in Deinem Körper passiert.
  2. Bleibe einen Moment bei den unangenehmen Empfindungen, wenn es keine akute Gefahr gibt.
  3. Achte darauf, ob Dein Körper angespannt ist – zum Beispiel Dein Kiefer, Deine Schultern oder Dein Atem.
  4. Entspanne Dich bewusst. Atme ein, atme aus. Schau, ob es dadurch leichter wird.

Wenn es einfacher wird und Du Dich wohler fühlst, befindest Du Dich in der Zone „angenehmer Schmerz“. Wenn die Spannung bleibt oder die Angst zunimmt, solltest Du mit Deinem Partner sprechen, wie es weiter gehen soll.

Achte bitte hier sehr auf Dich und Deine Bedürfnisse. Wenn Du das Gefühl hast, Du möchtest aus den Seilen, egal wo in Eurer Session ihr gerade seid, dann fordere dies klar und deutlich ein.

Es bringt Dir und Deinem Rigger absolut nichts, wenn Du eine Session auf Teufel-komm-raus durchhältst, damit Du durchgehalten hast. Du aber nach der Session ein schlechtes Gefühl hast, was Seile angeht und mehr Unsicherheit und Angst statt Sicherheit und Selbstbewusstsein.

Fazit: Schmerz ist subjektiv und absolut valide

Die Erfahrung von Schmerz ist immer individuell. Es gibt keinen objektiv guten oder schlechten Schmerz. Entscheidend ist, wie Du Dich fühlst. Wenn der Schmerz für Dich nicht auszuhalten ist, Deine Grenzen überschreitet oder Dich daran hindert, Dich zu entspannen, dann ist es für Dich schlechter Schmerz.

Es gibt viele Tipps und Techniken, um mit Schmerz umzugehen – zum Beispiel, wie man atmet oder worauf man sich konzentrieren kann. Aber bevor Du daran arbeitest, ist es wichtig, gerade zu Beginn Deiner Reise mit dem Seil, Dir über die Situation klar zu werden. Deine Gefühle sind immer wichtiger als das, was Dir Dein Rigger gesagt hat, Du gelesen oder gehört hast.

Mit der Zeit kannst Du natürlich lernen, besser mit Schmerz umzugehen. Der richtige Weg ist immer, langsam zu bleiben, auf Deinen Körper zu hören und ihm zu vertrauen. Lass Dich von niemanden überreden, Du müsstest mehr aushalten, der Schmerz können nicht so stark sein oder oder oder…

Schmerz ist ein Signal Deines Körpers, das Dich schützen soll – er sollte nicht erzwungen werden.

Mein Tipp gerade für Einsteiger in die Welt des Shibaris: Bleibt auf dem Boden, erkundet und erfahrt die Seile auf eine sanfte Art und Weise, erkundet Euch, findet Nähe und Intimität. Nach und nach könnt ihr langsam in die Luft gehen. Aus meiner Erfahrung und den Gesprächen mit vielen Anfänger ergibt es keinen Sinn, Deine erste Session direkt in der Luft (Suspension) zu erleben.

Diese Erfahrung wird Dich körperlich, mental und emotional überwältigen und überfordern. Genau das Gegenteil, was Shibari Dir schenken kann. Wir wollen alle immer höher, weiter, schneller, doch der Sinn von Fesseln und Shibari ist Intimität, Achtsamkeit und Verbindung.

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