Führung beim Fesseln: Die unbequeme Wahrheit, die kaum jemand ausspricht

von | 9. Sep.. 2025

Führung beim Fesseln klingt leicht, schließlich „macht“ ja die Person mit dem Seil den Ablauf. In der Praxis aber ist es für viele Rigger eine der größten Herausforderungen. Die wenigsten sprechen offen darüber, warum es so schwerfällt, diese Rolle einzunehmen. Manche spüren diffuse Unsicherheit, andere haben Angst, zu dominant zu wirken oder Grenzen zu überschreiten.

Die unbequeme Wahrheit ist allerdings: Ohne klare Führung fehlt die Grundlage für Sicherheit und Loslassen im Seil. Genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen, warum Führung beim Fesseln so oft blockiert ist und wie wir sie anders leben können.

Warum Führung so schwerfällt

In unserer Gesellschaft hat das Wort „Macht“ oft einen bitteren Beigeschmack. Wir sind geprägt von Schlagzeilen über Machtmissbrauch, Korruption und Dominanz auf Kosten anderer. In Deutschland schwingt zusätzlich eine historische Last mit, die unser Verständnis von Führung stark negativ besetzt.

Führung verbinden viele mit Kontrolle, Unterdrückung oder Ego-Show. Dazu kommt, dass in einer feministisch beeinflussten Gesellschaft, in der wir heute leben, viele gelernt haben: „Nimm Dich zurück. Macht ist gefährlich. Führung ist übergriffig.“ Das Ergebnis? Unsicherheit. Zurückhaltung. Angst, etwas falsch zu machen.

Im Fesseln zeigt sich das dann oft so:

  • Das Seil „führt“ nicht, sondern wird einfach nur um den Körper gelegt
  • Die Person, die fesselt, fragt ständig nach, statt zu leiten
  • Bewegungen wirken zögerlich oder unentschlossen
  • Entscheidungen werden nicht klar getroffen

Das Problem daran, wer nicht führt, erzeugt keine Sicherheit und ohne Sicherheit kann die gefesselte Person nicht loslassen.

Rigger sein heißt weit mehr als Seile legen

Rigger sein bedeutet weit mehr, als nur Seile um einen Körper zu legen, es ist eine Kunst der Führung, des Vertrauens und des Kontakts. Viele Anfänger fühlen sich unsicher in ihrer Rolle, zweifeln an ihren Fähigkeiten oder haben Angst, Fehler zu machen. Vielleicht fragst Du Dich auch, wie Du Seil sicher und sinnlich einsetzen kannst, ohne am Ende eine Diskussion mit Deinem Model über den Ablauf der Session führen zu müssen.

Wenn wir nach Wikipedia gehen, bedeutet Führung „leiten“, „die Richtung bestimmen“ und „in Bewegung setzen“. Klingt technisch und ehrlich gesagt, oft auch kalt und manipulierend. Das hat viel damit zu tun, dass wir Führung meist im Kontext von Politik, Wirtschaft und Machtmissbrauch erleben.

Kein Wunder also, dass viele Rigger diese Rolle meiden oder sich darin unwohl fühlen. Doch genau hier liegt der Vorteil:

Du kannst selbst definieren, wie Führung bei Dir aussieht und damit ein ganz anderes Bild erschaffen.

Beim Fesseln geht es nach meinem Verständnis nicht darum, Muster perfekt nach zu fesseln oder zu kopieren. Führung bedeutet nicht, jemanden zu dominieren oder unnahbar zu sein, auch wenn diese Elemente Teil einer abgesprochenen Dynamik sein können.

Führung heißt für mich in erster Linie: Klarheit in sich selbst haben, eine Richtung anbieten, einen sicheren Rahmen setzen. Es ist wie bei einem Fluss: Der Fluss kann nur fließen, weil er ein Flussbett hat. Dein Gegenüber kann nur loslassen, wenn Du die Richtung und Begrenzung vorgibst.

Privatunterricht Shibari Fesseln Julia Seifried

Du möchtest lernen, wie man im Seil klar führt?

Dies zeige ich Dir in meinem 1:1 Privatunterricht und in meinen Coachings ohne in alte Machtmuster zu rutschen.

Was im Nervensystem passiert, wenn Führung fehlt

Unser Nervensystem orientiert sich ständig, bewusst und unbewusst, an der Körpersprache und Ausstrahlung (Energie) unseres Gegenübers. Fehlt Klarheit und Führung bei der fesselnden Person (Rigger), kann das Model in unsichere Zustände rutschen:

  • Kampf oder Flucht: Innere Unruhe, Wunsch auszusteigen. Hibbelig sein
  • Freeze: Äußerlich still, innerlich angespannt oder dissoziiert.
  • Fawning: Es Dir recht machen wollen, statt ehrlich zu spüren.

Ohne klare Führung bleibt das Nervensystem also in Alarmbereitschaft. Die unbequeme Wahrheit ist: Das Loslassen, das viele im Seil suchen, wird so unmöglich.

Die Rolle der Körpersprache

Die Körpersprache bzw. -haltung des Riggers ist im Fesseln oft wichtiger als die ausgesprochenen Worte. Eine klare Position, ruhige Atmung und fließende Bewegungen signalisieren Sicherheit. Ein unruhiger Blick, nervöses Hin- und Herlaufen oder stockende Handlungen dagegen können Unsicherheit übertragen.

Das Seil „übersetzt“ also die innere Haltung der fesselnden Person direkt. Bist Du klar, wird Dein Seil klar. Bist Du unsicher, spürt das Dein Gegenüber, selbst wenn Du es mit Worten überspielst.

Innere Ressourcen für eine klare Führung

Innere Ressourcen sind innere Qualitäten, die wir bereits in uns tragen wie Mut, Ruhe, Klarheit, Präsenz oder Kreativität. Oft vergessen wir, dass sie da sind, weil wir sie im Alltag nicht bewusst nutzen. Sie sind wie ein innerer Werkzeugkasten, den wir jederzeit dabeihaben.

Manchmal fällt es schwer, auf diese Ressourcen zuzugreifen. In vielen Fällen liegt es einfach daran, dass wir nie gelernt haben, wie es geht. Mit Übung wird es leichter, sie im richtigen Moment zu aktivieren.

Führung ist weniger Technik als innere Haltung. Diese Ressourcen helfen Dir, als Rigger klar aufzutreten:

  • Sicherheit – einen sicheren Raum schaffen.
  • Vertrauen – verlässlich, klar und präsent sein.
  • Empathie – wahrnehmen, was dein Model braucht.
  • Geduld – das Tempo bewusst steuern.
  • Respekt – Grenzen und Bedürfnisse achten.
  • Klarheit – wissen, was du tust und warum.
  • Leichtigkeit & Humor – Fesseln muss nicht immer ernst sein.
  • uvm.

Um auf innere Ressourcen während der Session zuzugreifen, könntest Du folgendes tun:

  • Einen Moment innehalten und bewusst atmen – um Ruhe zu finden, bevor du weiterfesselst
  • Dich an eine Situation erinnern, in der Du Dich sicher und klar gefühlt hast – um Stabilität in Deine Führung zu bringen
  • Deine Körperhaltung überprüfen – stehst oder sitzt Du aufrecht, atmest Du ruhig?
  • Einen inneren Anker nutzen – ein Wort, ein Bild oder eine kleine Geste, die Dich in Deine Stärke bringt
  • Regelmäßig üben – je öfter Du bewusst auf Deine inneren Ressourcen zurückgreifst, desto leichter wird es, sie im Moment einzusetzen

Fazit: Ohne Führung kein Loslassen.

Die unbequeme Wahrheit ist: Ohne Führung im Seil fehlt der Boden, auf dem Sicherheit, Loslassen und intensives Erleben entstehen können. Führung im Fesseln gründet sich auf drei wesentliche Prinzipien: Selbstbewusstsein, Verantwortung und Empathie.

Selbstbewusstsein bedeutet, mit Klarheit in Entscheidungen und Auftreten zu gehen und so Sicherheit für Dich und Dein Model zu schaffen. Verantwortung heißt, das Wohlergehen Deines Models an erste Stelle zu setzen, die eigenen und die fremden Grenzen zu respektieren und vorbereitet in jede Session zu gehen.

Empathie ist die Fähigkeit, wahrzunehmen, zuzuhören und Dich ggf. anzupassen, damit das Erleben Deines Models zu einer gemeinsamen, stimmigen Erfahrung wird. Sich in dieser Rolle zu zeigen, braucht Mut. Mut, klar zu führen, auch wenn die Angst oder Traurigkeit mitschwingt, als „zu dominant“ oder „zu distanziert“ wahrgenommen zu werden.

Mut, Entscheidungen zu treffen, selbst wenn Du nicht zu hundert Prozent sicher bist. Mut, die Verantwortung anzunehmen, die mit dieser Position einhergeht. Denn gute Führung ist nicht die Abwesenheit von Macht, sondern der bewusste, verantwortungsvolle Einsatz davon.

Das Seil bietet Dir die Möglichkeit, Macht neu zu definieren. Nicht als Kontrolle, sondern als Halt. Nicht als Härte, sondern als Klarheit. Nicht als Unterdrückung, sondern als Einladung, loszulassen.

Wenn Du diese Haltung entwickelst, entsteht Führung aus Deiner inneren Klarheit, Verantwortungsbewusstsein, Empathie und Präsenz. Dein Seil wird dann zu mehr als einer Technik, es wird zu einer Brücke für Vertrauen, Sicherheit und tiefes Erleben.

Wenn Du lernen möchtest, wie Du im Seil klar führst und Dich dabei sicher und authentisch fühlst, findest Du in meinem 1:1 Privatunterricht die passende Möglichkeit dafür. Dort üben wir, Macht bewusst einzusetzen, nicht um zu kontrollieren, sondern um zu halten und einen Raum zu schaffen, in dem Loslassen möglich wird.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert