Seit über acht Jahren bin ich nun Rigger. Ich liebe es, doch bis ich zu diesem Punkt gekommen bin, war es ein harter Weg. Bevor ich Rigger wurde, war ich ein Ropemodel. Ich durfte dabei Erfahrungen mit unterschiedlichen Riggern sammeln. Einer dieser Rigger ermutigte mich dazu, selbst mit dem Fesseln zu beginnen.
Ich hatte so einige Glaubenssätze in meinem Kopf, was ein Rigger ausmacht und was nicht. All diese Überzeugungen waren nicht nur in meinem Kopf, sondern haben sich auf meine Art zu fesseln ausgewirkt. Meine Unsicherheit wuchs von Überzeugung zu Überzeugung. Wie ein Gefängnis haben mich diese eingeengt.
Viele meiner Überzeugungen kamen auch aus meiner Erfahrung als Ropmodel und dem, was in meiner damaligen Fessel Community gelebt wurde. Ich sage nicht, dass es generell falsch ist. Ich sage nur, dass mich persönlich diese Glaubenssätze extrem zurückgehalten haben, mein Potenzial als Rigger zu entfalten.
1. Ich muss dominant sein.
Gleich mal der größte und tiefste Glaubenssatz zuerst: Ja ehrlich, das dachte ich wirklich sehr lange – dass ich dominant sein muss, um zu fesseln. Da ich mich zur damaligen Zeit überhaupt nicht dominant gefühlt oder als dominant gesehen habe, war für mich klar, dass ich daher auch nicht aktiv fesseln kann. Heute weiß ich, dass Dominanz nicht zwingend etwas mit aktivem Fesseln zu tun haben muss. Es kann, aber es muss absolut nicht. Mindblowing!
2. Ich muss sadistisch sein.
Dieser Glaubenssatz knüpft ziemlich an den ersten an, doch für mich sind Dominanz und Sadismus noch einmal etwas ganz anderes. Als ich mit dem Fesseln startete, wollte ich alles – nur nicht meinem Ropemodel Schmerzen zufügen. Doch alles, was ich damals gesehen habe, war ein Fesseln mit Schmerz (Naka-Style). Damit konnte ich mich überhaupt nicht identifizieren. Heute weiß ich, dass es mehr als nur eine Möglichkeit gibt, zu fesseln, und ich durfte mit der Zeit entdecken, dass es mir unter anderem doch Freude bereitet, sadistisch zu fesseln.
3. Ich muss viel Technik kennen.
Technik ist wichtig, keine Frage. Doch die Frage, die ich mir zu Beginn nie gestellt habe, ist: Welche Technik ist denn wichtig?
Die Technik des Grundknotens ist superwichtig, alles andere ist „nice to have“. Abläufe, Muster und Katas geben beim Fesseln einen Weg vor, wie eine Fesselung auszusehen hat. Ich dachte lange Zeit, genau so muss es sein. Doch das ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Technik konnte und hat mich lange Zeit von dem Fesseln abgelenkt, das mir entspricht.
4. Die Fesselungen müssen symmetrisch und perfekt aussehen.
Wie sehr ich an dieser Überzeugung hing. Sie hat mich im wahrsten Sinne des Wortes blockiert, denn ganz ehrlich: Ich bin alles andere als symmetrisch und perfekt. Wie sollte es dann mein Fesseln sein?
Doch immer wieder habe ich von außen gehört, dass mein Fesseln zu chaotisch ist und nicht schön aussieht – die Bestätigung schlechthin. Deshalb habe ich mich oft versteckt und meine Fesselungen nicht gezeigt.
Heute weiß ich, dass dieses chaotische und unperfekte Fesseln meins ist – das bin ich, Authentizität schlechthin. Ich verstecke mich nicht hinter Perfektion und Symmetrie. „Messy as fuck“, doch genau das ist meine Handschrift.
Kleiner Spoiler: Bis heute bekomme ich von anderen Riggern (tatsächlich auch noch sehr Bekannte aus der Szene) negative und herablassende Kommentare über meine unsymmetrischen Fesselungen
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5. Emotionales Fesseln ist zu intim.
Wenn ich fessle – und das seit Beginn – wird es intim. Nähe, Körperkontakt, Emotionen, Ruhe, Stille – all das ist dabei, nicht nur bei meinem Model, sondern auch bei mir. Ich dachte oft, das wäre falsch, schließlich fesseln die Großen nicht so. Mit mir kann da etwas nicht stimmen, ich gehe viel zu tief rein – das ist falsch.
Heute sehe ich es nicht mehr als falsch an, sondern als ein Geschenk, das ich mir und meinem Model mache. Eine Erlaubnis, das zu fühlen und zu bekommen, was man will – ohne Hintergedanken oder schlechtes Gewissen.
6. Bodenfesselungen sind nicht so aufregend wie Suspensions.
Bodenfesselungen waren mein Start – egal ob als Rigger oder als Model. Als Model liebte ich von Anfang an die Bodenfesselungen – tatsächlich bis heute. Doch als ich begann, aktiv zu fesseln, schlich sich bei mir die Überzeugung ein, dass Bodenfesselungen nicht so aufregend sind wie Suspensions. Nicht aufregend für mich als Rigger und auch nicht für mein Model.
Ich glaubte wirklich, dass meinen Models beim Fesseln langweilig ist, wenn ich mit ihnen nicht in die Luft gehe, also eine Suspension mache. Das setzte mich ganz schön unter Druck. Total faszinierend, wie weit meine Überzeugungen als Model und als Rigger auseinanderfielen.
Mittlerweile höre ich als Rigger nur noch auf meine Erfahrung als Model und ziehe daraus meine Überzeugung, welche Fesselungen wie sind. Und Überraschung: Bodenfesselungen sind großartig. So großartig, dass ich Suspensions nur noch auf ausdrücklichen Wunsch meiner Models fessele.
7. Bodenfesselungen sind nur für Anfänger.
Da Bodenfesselungen mein Anfang waren, war ich auch der Überzeugung, dass Bodenfesselungen nur etwas für Anfänger sind und dass ich, wenn ich nur Bodenfesselungen mache, als Anfängerin gesehen werde. Ach, wie falsch ich damals lag. Heute ist mir klar, dass Bodenfesselungen vielschichtiger und aufregender sein können als Suspensions – vorausgesetzt, Rigger und Model sind dafür bereit.
8. Ich muss in der Shibari-Szene bekannt sein
Das Qualitätssiegel schlechthin für einen Rigger: Bekanntheit – so hat es sich für mich zumindest eine lange Zeit angefühlt. Je mehr Models du fesselst, je mehr du in der Öffentlichkeit stehst, desto besser bist du. Du musst unbedingt einer Community angehören, sonst bist du kein Rigger.
Wie falsch ich damit lag. Durch meine Erfahrungen weiß ich: Ein Model und eine Bodenunterlage reichen aus, um ein sehr guter Rigger zu sein. Keine Zuschauer, keine Anhänger. Nur ich, mein Model und ein Ort, an dem gefesselt wird – egal, wo das ist.
9. Ich muss immer nach einem speziellen Schema/ Muster fesseln
Gerade am Anfang hat mir diese Überzeugung geholfen und mich in meinem Fesseln unterstützt, da ich eine Art Ikea-Anleitung hatte, was ich fesseln kann. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mehr von mir in die Fesselungen einbringen möchte. Plötzlich passte die Anleitung nicht mehr zu mir, und ich habe mein ganzes Fesseln infrage gestellt.
Die Erkenntnis, dass ich mich im Fesseln weiterentwickelt habe und keine Anleitung mehr benötige, sondern einfach meinen Stil in die Fesselungen einfließen lassen darf, hat mich schließlich von dieser Überzeugung befreit. Doch es war kein einfacher Weg, aus den Schemas und Mustern auszubrechen. Daher weiß ich heute: Lieber erst gar nicht damit anfangen.
10. Je schneller mein Tempo beim Fesseln ist, desto besser bin ich
Schneller, höher, weiter, besser – so leben wir. Impact durch Druck und Schnelligkeit.
Langsamkeit – ein absolutes Fremdwort in meiner Welt für eine sehr lange Zeit. Ich habe mich immer gefragt, warum das Fesseln für mich so anstrengend ist und ich ohne Ende schwitze. Bis ich vor zwei Jahren meine Business-Mentorin traf, die mir die Langsamkeit in meinem Business näherbrachte.
Plötzlich breitete sich die Langsamkeit nicht nur in meinem Business, sondern auch in meinem Privatleben aus. Langsamkeit beim Fesseln – mindblowing. Nicht spektakulär, nicht laut – zumindest für Zuschauer. Augenscheinlich unspektakulär, aber für mich und mein Model tief berührend.
Und wenn ich heute auf die Rückmeldungen zu meinen Shows schaue, weiß ich, dass Langsamkeit für Zuschauer mehr als spektakulär ist. Sie ist berührend – in der Tiefe. Und nicht jeder kann das zulassen.
11. Ich muss mein Model bei jeder Session „abschießen“ aka. in den Subspace bringen.
Subspace – ein Wort, das mich seit meiner gesamten Fessel-Laufbahn begleitet. Alle Models wollen dorthin und es erleben. Ich kannte es lange nur so, dass das Model es vom Rigger „einfordert“ und der Rigger dafür verantwortlich ist. Der Rigger muss so gut fesseln, dass das Model mental in den Subspace kommt. Das Model hat damit nichts zu tun.
Wow… In dieser Überzeugung stecken so viele Falschannahmen wie in kaum einer anderen Überzeugung von mir. Warum? Aus meiner Sicht ist Subspace nichts Gutes, sondern ein Zustand des Nervensystems, der dem Shutdown ähnelt – also deutlich über dem Freeze-Zustand liegt.
Zum anderen weiß ich heute, dass, wenn ein Model im Seil abschalten will, der Rigger lediglich das Werkzeug (Seil) benutzt. Das tatsächliche Abschalten liegt jedoch ganz in der Eigenverantwortung und Macht des Models – bääääääm.
12. Ich bin alleine dafür verantwortlich, dass mein Model abschalten und loslassen kann.
Ja, das ist etwas Neues. Bis 2024 dachte ich wirklich, dass der Rigger für den Zustand des Models im Seil verantwortlich ist.
Nach meiner Ausbildung zum Spaceholder hat sich das extrem verändert. Ich durfte verstehen und erfahren, dass das Model genauso verantwortlich ist wie der Rigger – vielleicht sogar noch etwas mehr. Denn wenn das Model sich nicht mental und emotional auf die Session vorbereitet bzw. vorbereiten kann, hat das einen immensen Einfluss darauf, wie sehr es in der Session loslassen kann – oder eben nicht.
Da kann der Rigger noch so viel fesseln und Aktionen machen: Wenn das Nervensystem des Models nicht bereit ist, ist es nicht sicher genug, um abzuschalten. Darum ist es so unglaublich wichtig, dass Rigger diese Mechanismen kennt und versteht, was passiert.
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