Im Shibari, der japanischen Fesselkunst, werden nicht nur Knoten auf dem Boden geschaffen, sondern auch Momente der Intimität und Schwerelosigkeit – die Suspensionen. Das Gefühl des Schwebens in der Luft, umgeben und gehalten von kunstvoll gebundenen Seilen, verleiht dem Shibari eine einzigartige Dimension, die weit über die physische Fesselung hinausgeht.
Der Begriff allein wirft Fragen auf – was steckt dahinter? Was macht diese Form der Fesselung so einzigartig? In diesem Artikel werden wir diese Fragen erkunden und die geheimnisvolle Magie der Shibari-Suspension enthüllen.
Was ist eine Suspension im Shibari?
Eine Suspension (engl. = Aufhängung) ist mehr als nur ein Akt der Fesselung. Es ist die Kunst, eine Person mithilfe von Seilen vom Boden zu heben. Das Ropemodel schwebt in der Luft, umgeben von kunstvoll gebundenen Knoten und Befestigungen. Die Schwerelosigkeit verleiht nicht nur eine visuelle Ästhetik, sondern schafft auch eine einzigartige emotionale Verbindung zwischen dem Rigger und dem Ropemodel.
Die Essenz der Shibari Suspension liegt in der Verschmelzung von Technik, Sicherheit und kreativem Ausdruck. Durch sorgfältige Vorbereitung, präzise Knoten und die richtige Balance entsteht eine Erfahrung, die über die Grenzen des Körpers hinausgeht. Es ist ein Tanz zwischen Vertrauen, Kommunikation und der Schönheit, die entsteht, wenn kunstvolle Fesselungen die Schwerelosigkeit erreichen.
Die kleine Schwester der Suspension: Die Semi-Suspension
Neben der eindrucksvollen Welt der vollständigen Shibari Suspension gibt es eine faszinierende Variation – die Semi-Suspension. Hierbei bleibt das Ropemodel teilweise in Kontakt mit dem Boden, während gleichzeitig Seile die Kunst der Schwerelosigkeit aufgreifen.
Die Semi-Suspension ermöglicht eine kreative Bandbreite von Positionen und eröffnet neue ästhetische Möglichkeiten. Im Gegensatz zur vollständigen Suspension, bei der der Körper frei in der Luft schwebt, behält die Semi-Suspension einen gewissen Bodenkontakt bei. Dies kann zusätzlichen Komfort bieten und gleichzeitig Raum für künstlerische Ausdrucksformen schaffen.
Die Vorbereitung: Sicherheit an erster Stelle
Bevor die Seile die Schwerelosigkeit schaffen, ist eine gründliche Vorbereitung unerlässlich. Die Sicherheit hat hier höchste Priorität, und ein erfahrener Rigger versteht, dass diese nicht nur den eigenen, sondern vor allem den Komfort und die Sicherheit des Ropemodels betrifft.
Folgenden Punkte sollten selbstverständlich sein:
- Die Auswahl der richtigen Seile und Materialien spielt eine entscheidende Rolle
- Erste-Hilfe-Kit: Sicherheitsschere, Fruchtzucker, Wollsocken, Getränk
- Robuste Verankerungspunkte müssen gewährleisten, dass das Gewicht sicher getragen wird, ohne das Ropemodel zu gefährden
- Ein kritisches Verständnis der Anatomie ist essenziell, um Risiken zu minimieren
- Vor jeder Suspension erfolgt eine sorgfältige Check-Up (körperlich, geistig, seelisch) des Ropemodels wie auch des Riggers
- Eine offene Kommunikation zwischen Rigger und Ropemodel ist dabei unerlässlich, um Vertrauen aufzubauen und eventuelle Unsicherheiten zu klären
Ein erfahrener Rigger kennt nicht nur die Technik der Fesselung, sondern auch die Kunst, das Ropemodel behutsam vorzubereiten. So entsteht eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit, die die Grundlage für eine gelungene Shibari-Suspension bildet.
Die Kunst der Knoten und Befestigungen
Die Essenz einer gelungenen Suspension liegt in den kunstvollen Knoten und Befestigungstechniken, die nicht nur sicher, sondern auch visuell ansprechend sind. Diese Knoten tragen nicht nur das Gewicht des Ropemodels, sondern verleihen auch der gesamten Szene eine ästhetische Dimension.
Die Auswahl der Knoten hängt von der gewünschten Position und dem Komfort des Ropemodels ab. Von Takate Kote bis zu Karada – die Vielfalt der Möglichkeiten ermöglicht eine kreative und einzigartige Darstellung.
- Vielfalt der Knoten: Von Takate Kote bis hin zu Karada gibt es eine Fülle von Knoten und Pattern, die für unterschiedliche Positionen und Effekte genutzt werden können. Die Auswahl hängt von der gewünschten Ästhetik, dem Komfort des Ropemodels und der Erfahrung des Riggers ab. Ein geschickter Rigger beherrscht eine Vielzahl von Knoten, um eine breite Palette von Suspensionen zu ermöglichen.
- Ästhetik und Symmetrie: Die visuelle Ästhetik spielt eine zentrale Rolle in der Shibari-Kunst. Symmetrie der Knoten, ihre Platzierung und die Linienführung der Seile tragen dazu bei, eine harmonische und ästhetisch ansprechende Szenerie zu schaffen. Dieser kreative Aspekt der Suspension macht sie nicht nur zu einer körperlichen Erfahrung, sondern auch zu einem visuellen Kunstwerk.
- Anpassung an individuelle Bedürfnisse: Jedes Ropemodel ist einzigartig, und daher erfordert jede Suspension eine individuelle Herangehensweise. Erfahrene Rigger verstehen, wie sie die Technik an die Anatomie und die Präferenzen des Ropemodels anpassen können. Flexibilität und Sensibilität sind dabei entscheidend, um eine sichere und dennoch komfortable Erfahrung zu gewährleisten.
- Emotionale Bedeutung der Knoten: Über die physische Verbindung hinaus haben die Knoten im Shibari auch eine tiefe emotionale Bedeutung. Sie symbolisieren nicht nur die Fesselung selbst, sondern auch das Vertrauen und die Hingabe zwischen Rigger und Ropemodel. Die Kunst der Knoten wird so zu einem Ausdruck von Intimität und Verbindung.
Emotionale Aspekte: Vertrauen und Kommunikation
Die Suspension ist nicht nur eine physische Erfahrung, sondern auch eine Reise durch emotionale Tiefen, die Vertrauen und Kommunikation erfordert.
- Vertrauensaufbau: Die Grundlage jeder erfolgreichen Suspension ist das Vertrauen zwischen Rigger und Ropemodel. Dieser Prozess beginnt bereits in der Vorbereitungsphase, wenn der Rigger die individuellen Bedürfnisse und Grenzen des Ropemodels respektiert. Durch Einfühlungsvermögen und Achtsamkeit wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich das Ropemodel sicher fühlen kann.
- Offene Kommunikation: Die klare und offene Kommunikation ist entscheidend, um Unsicherheiten zu beseitigen und eine gemeinsame Verständigung über Erwartungen und Grenzen zu erreichen. Rigger und Ropemodel müssen sich während der gesamten Session austauschen, um sicherzustellen, dass die Erfahrung für beide Seiten positiv und erfüllend ist.
- Emotionale Intensität: Während der Suspension können tiefe emotionale Empfindungen entstehen. Das Schweben in der Luft verstärkt nicht nur die physische Verbindung, sondern ermöglicht auch einen intensiven emotionalen Austausch. Das Verständnis der emotionalen Dynamik und die Fähigkeit, einfühlsam darauf zu reagieren, machen den Unterschied zwischen einer einfachen Fesselung und einer tiefgreifenden Shibari-Erfahrung aus.
- Grenzen respektieren: Die Berücksichtigung individueller Grenzen ist unerlässlich. Ein erfahrener Rigger erkennt die Signale des Ropemodels und respektiert diese ohne Kompromisse. Dieser Respekt vor den Grenzen trägt nicht nur zur Sicherheit bei, sondern stärkt auch das Vertrauensverhältnis.
Nachsorge und Achtsamkeit
Nachdem die Schwerelosigkeit des Schwebens in den Seilen erlebt wurde, kommt ein entscheidender Teil des Shibari-Erlebnisses: die Nachsorge. Dieser Abschnitt ist ebenso wichtig wie die Vorbereitung und die eigentliche Suspension, da er den Übergang des Ropemodels von der intensiven Erfahrung zurück auf den festen Boden begleitet.
Die Achtsamkeit beginnt bereits beim behutsamen Entfernen der Seile. Ein erfahrener Rigger versteht, dass dieser Moment genauso entscheidend ist wie das eigentliche Fesseln. Das Entknoten erfolgt mit Sensibilität und Respekt für die physischen und emotionalen Zustände des Ropemodels.
Die Unterstützung des Ropemodels während des Übergangs zurück auf den Boden ist eine weitere Facette der Nachsorge. Ein erfahrener Rigger begleitet das Ropemodel dabei, sich nach der Schwerelosigkeit wieder sicher zu fühlen. Dies kann körperliche Unterstützung genauso wie einfühlsame Worte beinhalten.
Die Nachsorge erstreckt sich über die physische Ebene hinaus und beinhaltet auch die emotionale Unterstützung. Das Erleben einer Suspension kann tiefe Gefühle auslösen, und das Ropemodel sollte Raum haben, diese Erfahrungen zu verarbeiten. Die Kommunikation zwischen Rigger und Ropemodel setzt sich fort, während sie gemeinsam die Emotionen und Eindrücke der Session reflektieren.
Die Pflege und Aufmerksamkeit enden nicht mit dem Abschluss der Session. Ein verantwortungsbewusster Rigger ermutigt das Ropemodel dazu, selbst nach der Suspension auf sich Acht zu geben und gegebenenfalls weitere Bedürfnisse zu kommunizieren. Die Nachsorge ist somit ein fortlaufender Prozess, der die gesamte Erfahrung umfasst und sicherstellt, dass das Ropemodel nicht nur körperlich, sondern auch emotional gestärkt aus der Shibari-Suspension hervorgeht.
Fazit: Schwerelosigkeit im Seil ist nicht so leicht, wie es scheint
Eine Suspension ist für viele Ropemodels das „non plus ultra“. Es ist verständlich, denn eine Suspension löst weit mehr aus, als das Gefühl von Schwerelosigkeit und Freiheit. Es kann tief sitzende Emotionen, wie auch absolute Entspannung auslösen.
Gleichzeitig wird der Verstand wie auch der Körper herausgefordert in die absolute Hingabe zu gehen. Trotz Freiheitsgefühl kann der Körper je nach Fesselung nicht oder sehr gering bewegt werden. Der Verstand und der Körper müssen sich der Fesselung „ergeben“. Das Gefühl der Hingabe und Aufgabe suchen viele Menschen in Meditation und anderen Übungen. Im Shibari erfolgt dies ganz leicht und ohne viel Aufwand in einer Suspension.
Aus meiner Sicht und eigener Erfahrung kann diese Art der Fesselung, gerade am Anfang, auch sehr überfordernd sein. Viele Rigger wollen den Ropemodels bei ihrer ersten Erfahrung im Seil sofort das Erlebnis einer Suspension schenken. Doch meist ist es so, dass das Ropemodel nach dieser Erfahrung so überfordert und abgeschreckt ist, dass diese Person gar keine Erfahrung mehr mit Shibari machen möchte.
Ich bin der Meinung, dass Suspensions für Ropemodels wie auch für Rigger erst gefesselt werden sollten, wenn beide bereits einige Zeit mit dem Seil verbracht haben und sich und ihren Körper im Seil kennen. Dies ist auch der Grund, warum in meinen Shibari Sessions erst beim zweiten oder dritten Treffen eine Suspension infrage kommt.
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