Warum ich Fesseltreffs für Anfänger nicht empfehle und was ich stattdessen rate

von | 7. Aug.. 2025

Ich werde oft gefragt, ob und welche Fesseltreffs ich für Anfänger empfehlen kann. Diese Frage beschäftigt mich jedes Mal aufs Neue, weil sie zwei Herzen in meiner Brust zum Schlagen bringt. Das eine Herz schlägt für die Community, für die Neugier, für die Verbindung zwischen Menschen. Das andere Herz pocht für die Anfänge, für die Verletzlichkeit und für die Bedeutung von Sicherheit auf emotionaler Ebene.

Ja, ich selbst habe früher sehr regelmäßig, fast schon exsessiv Fesseltreffen besucht. Ich weiß, wie wertvoll diese Räume sein können, um sich zu vernetzen, Inspiration zu sammeln und andere Menschen kennenzulernen, die dieselbe Leidenschaft teilen. Rückblickend und mit meinem jetztigen Wissen erkenne ich allerdings auch an: Meine Überforderung, die Scham, die Angst davor, mich überhaupt zu zeigen in einem Thema, das für viele immer noch tabu ist.

Was ist ein Fesseltreffen?

Ein Fesseltreff ist für mich ein Raum, in dem Menschen zusammenkommen, die eine gemeinsame Leidenschaft teilen: Fesseln mit Seil. Man trifft sich an einem Ort, drinnen oder draußen, um sich diesem Thema in unterschiedlicher Form zu widmen. Was dort passiert, hängt stark vom jeweiligen Konzept ab.

  • Fesseltreffs, bei denen explizit nicht geredet wird. Der Fokus liegt auf der Praxis. Es wird gefesselt, beobachtet, gespürt, ohne Smalltalk, ohne Austausch drumherum. Das kann eine Einladung sein, ganz bei sich und im Seil zu sein. Manche nutzen diese Räume, um eine Suspension (Fliegefesselung) zu üben, weil sie zu Hause keinen Möglichkeit haben. Andere wollen sich zeigen, ihre Fähigkeiten ausdrücken. Dabei spielt ob das Ego eine große Rolle. Für einige ist es Vorbereitung auf einen Auftritt oder einfach ein Weg, um sich an das Gesehen-Werden beim Fesseln zu gewöhnen.

Die Zartheit der ersten Schritte ins Seil

Wenn Du ganz am Anfang Deiner Fesselreise stehst, bringst Du oft schon eine immense Portion Mut mit, Dich überhaupt damit auseinander zu setzen. Du hast Dich getraut, Deine Sehnsucht ernst zu nehmen, Deine Wünsche zu spüren und diese überhaupt zuzulassen.

Denn mal ganz ehrlich, ich und wahrscheinlich auch Du haben gelernt und ggf. sogar erfahren, dass alles was ab der „Norm“ ist, nicht richtig aka. pervers ist. Dass wenn man nicht das mag, was alle anderen mögen, man ausgelacht, verurteilt, bewertet und ausgeschlossen wird. Schlimmstenfalls ggf. als Jugendliche/r sogar körperliche Gewalt erlebt hat.

Bei einem Fesseltreffen stehst Du dann plötzlich in einem Raum voller Menschen, die dieses Gefühl schon längst hinter sich gelassen haben. Für sie ist Fesseln oft ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens.

Für manche von ihnen war Fesseln nie ein Tabu oder pervers. Sie mussten keine gesellschaftlichen oder persönlichen Grenzen überwinden, um zu dem zu stehen, was sie tun. Sie können oft gar nicht nachvollziehen, wie groß die Überwindung sein kann, überhaupt zu sagen: „Ich will das.“

Wenn Du als Anfänger mit solchen Menschen in Kontakt kommst, kann das sehr schnell überwältigend werden. Diese Personen können nicht nachvollziehen, was in Dir vorgeht. Ich sehe oft, dass solche Personen Anfänger mit Informationen bombardieren und sogar nicht anfängerfreundlich fesseln. Die Auswirkungen sind verehrend bis traumatisierend.

Ich selbst habe in dieser Phase meiner Fesselreise leider auch übergriffiges Verhalten erlebt. Menschen die meinten, sie würden mir etwas Gutes tun, weil sie beim Fesseln erfahrener waren wie ich. Sie haben mich hoch riskante Fesselungen erleben lassen, haben mich gefesselt an andere Personen „übergeben“ oder haben mich gefesselt alleine gelassen.

Sie wollen ihr Erfahrung weitergeben, vielleicht auch zeigen was sie können (Hallo Ego) und verstehen nicht, dass dies mehr als übergriffig und einschüchtern sein kann. Nach diesem Erlebnis habe ich mehrere Monate keine Seile mehr angefasst und wollte sogar ganz damit aufhören, obwohl Seil eines meiner tiefsten Bedürfnisse war und ist.

Menschen, für die Seil zum Leben dazu gehört, nie oder selten ein Thema mit Scham, Schuld oder Tabugefühle hatten, können nicht nachempfinden wie es ist, am Anfang der Seilreise mit all den Emotionen und Gefühlen zu stehen. Es fehlt die Empathie aus Erfahrung.

Doch Deine Reise ist wie ein kleines Blümlein, das gehegt und gepflegt werden muss. Die richtige Erde, nicht zu viel – aber auch nicht zu wenig Wasser. Schutz vor Sturm. Alles im perfekten Tempo, damit Dein Blümlein im eigenen Tempo wachsen und gedeihen kann, starke Wurzeln bekommt und irgendwann kein Schutz mehr vor Sturm braucht.

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Die Vergleicherittis und der Selbstwert bei Fesseltreffen

Wenn Du als Anfänger zu einem Fesseltreff gehst, wirst Du viele Dinge sehen, die Dich faszinieren, aber auch einschüchtern können oder nicht Deiner Wertevorstellung entsprechen. Fliegefesselung (Suspension), aufwendige Muster oder Techniken, flinke Hände, eine scheinbare Selbstverständlichkeit, mit dem Seil umzugehen. Dabei könnte die Stimme in Deinem Kopf angehen: „Da werde ich nie hinkommen.“ „Ich bin falsch hier.“ „Ich gehöre nicht dazu.“

Mir selbst ging es lange so. Ich habe Jahre gebraucht, um mich auf einem Fesseltreff wirklich wohlzufühlen, um bei mir zu bleiben und nicht zu dissoziieren. Diese Zeit hat mich geprägt und gleichzeitig gelehrt, wie wichtig es ist, meine Gefühle wahrzunehmen und meine eigenen Grenzen zu achten. Dieses Gefühl von „Ich gehöre hier nicht hin“ kann einen sehr tief treffen und manchmal sogar die Freude am Fesseln nehmen.

Die Wahl des richtigen Fesseltreffs

Wenn Du das Gefühl hast: „Jetzt bin ich bereit“ , dann wähle den Fesseltreff bewusst. Achte darauf, dass dieser Anfängern einen sicheren Einstieg ermöglicht. Ich empfehle Dir auf folgendes zu achten:

  • Besuche zuerst einen Anfängerfesseltreff oder einen Treff, bei dem nur auf dem Boden gefesselt wird. Das reduziert die visuelle Überwältigung und hilft Dir, bei Dir zu bleiben.

  • Achte darauf, dass es ein Ankommen für Anfänger gibt. Also eine Phase, in der Du Dich mit dem Raum vertraut machen kannst, bevor die „alten Hasen“ den Raum betreten.

  • Prüfe die Gruppendynamik. Frage die Organisatoren, wie sie mit Anfängern umgehen und ob sie Angebote wie Kennenlerngespräche oder Moderation anbieten.

Diese kleinen Details können einen großen Unterschied machen. Für Deine emotionale Sicherheit, für Dein Nervensystem und für Deine Freude und Lust am Fesseln.

Fesseltreff: Was noch zu beachten gibt

Ergänzend möchte ich hier noch ein paar Gedanken teilen, die mir wichtig erscheinen, um Dir ein noch vollständigeres Bild zu geben:

  • Viele Menschen, die mit Fesseln anfangen, haben ein tiefes Bedürfnis nach Nähe. Nähe zu anderen, aber auch zu sich selbst. Es geht nicht nur um Technik oder schöne Seile, sondern um das Spüren, um das Erleben, um echtes Miteinander. Dieses Bedürfnis kann in einem Fesseltreff leicht untergehen, wenn die Atmosphäre von außen, also Anderen, bestimmt wird, statt von Dir und Deinem eigenen Tempo. Es geht nicht um Leistung, nicht um Anerkennung, sondern um Nähe.
  • In Fesseltreffs wird unterschwellig viel Wert auf Ästhetik und Performance gelegt. Schöne Muster, beeindruckende Posen, raffinierte Seile. Für Anfänger kann das eine große Hürde sein, weil sie glauben, sie müssten direkt so perfekt fesseln oder sich perfekt bewegen. Das stimmt aber nicht. Fesseln darf holprig sein. Es darf wackeln. Es darf eise sein. Es darf chaotisch aussehen. Wichtig ist nur, dass Du Dich Freude daran hast.
  • Ein Fesseltreff bringt Menschen zusammen und mit ihnen all ihre Erfahrungen, Wertevorstellung, Unsicherheiten und Persönlichkeiten. Manche treten selbstbewusst auf, zeigen viel, wissen scheinbar alles. Das kann auf Anfänger entmutigend wirken. Es entsteht schnell ein Gefühl von „Ich bin nicht gut genug“, oder „Ich müsste anders sein, um hier reinzupassen“. Doch genau da liegt die Einladung: Lass dich nicht hineinziehen in Vergleiche. Du musst keine Maske aufsetzen, nur um dazugehören zu wollen. Sei ehrlich mit Dir. Sei sanft mit Dir. Du darfst stolz sein, dass Du überhaupt dort bist. Dass Du Dich zeigst, auch mit Unsicherheit. Dass Du Dich Deinen Ängsten stellst. Das ist Stärke.
  • Es ist eine große Sache, zu einem Fesseltreffen zu gehen und ggf. sogar dort sich mit Seil in der Hand zu zeigen. Das ist ganz schön aufregend, es kann sich sogar überwältigend anfühlen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Du dabei besonders gut auf Dich achtest, denn diese Überwältigung ist für den Körper oft zu viel. In diesem Stadium funktioniert der Körper oft nur noch auf Sparflamme ohne etwas zu fühlen. Das kann ein großes Risiko in sich tragen, wenn Du mit dieser Überwältigung beginnst als Anfänger zu fesseln oder gefesselt zu werden.
  • Ein Fesseltreff kann ein wunderbarer Ort sein, um neue Menschen kennenzulernen. Viele glauben, dass man erst zu einem Fesseltreff gehen muss, um „dazuzugehören“ oder „richtig“ zu sein. Das stimmt nicht. Du darfst Dir die Zeit nehmen, Deine eigenen Erfahrungen zu sammeln, bevor Du Dich in eine größere Runde begibst. Du gehörst dazu, sobald Du das erste Mal Seil in der Hand oder an Deinem Körper spürst.

All diese Punkte sollen Dir Mut machen, Deinen eigenen Weg zu gehen. Fesseln ist eine Reise und Du bestimmst, wie schnell oder langsam Du gehst. Deine Schritte sind genauso wertvoll wie die der anderen auch wenn sie kleiner sind.

Fesseltreffen/Fesselstammtisch Julia Seifried
Dieses Bild wurde mit KI erstellt.

Meine 8 Schritte für Deinen ersten Besuch bei einem Anfänger Fesseltreffen

  1. Fesseln lernen in einem Workshop / Privatunterricht

  1. Fesseln üben bis Du Dich wirklich wohl und sicher mit dem Seil fühlst

  1. Fesseltreffen in Deiner Region ausfündig machen und beobachten was in Dir geschieht wenn Du daran denkst (Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen)

  1. Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen auf Unsicherheiten oder Enge erforschen und verändern (ja, das ist möglich)

  1. Punkt 2 – 4 solange wiederholen, bis Du keine Unsicherheit mehr in Dir spürst, wenn Du daran denkst, an diesem Fesseltreffen teilzunehmen

  1. Fesseltreffen für Anfänger besuchen und nur solange anwesend bleiben, bis eine mulmiges Gefühl oder Unsicherheit in Dir auftaucht, das ist Dein Zeichen zu gehen. Egal was die Anderen sagen. Auch wenn sie versuchen, Deine Gefühle anders zu deuten. Du weißt es am Besten, es sind schließlich Deine Gefühle in Deinem Körper.

  1. Punkt 2 – 6 Wiederholen

  1. Möchtest Du bei Punkt 2 – 6 unterstützt werden, melde Dich gerne bei mir, ich begleite Dich gerne bei Deiner Reise von diesen Punken.

Fazit: Deine Reise gehört Dir und Deinem persönlichem Tempo

Ich weiß, dass ich mit dieser Meinung in der Szene alleine stehe. Die meisten, egal ob professionell oder nicht, empfehlen als den perfekten Einstig ein Fesseltreff. Aus Sicht der Vernetzung mit anderen Gleichgesinnten, ja. Aber aus meiner Perspektive ist eine Sache viel Wichtiger, wie das Vernetzen.

Das eigenen Wohlergehen und das eigenen Tempo. Dein Weg ins Fesseln ist genauso individuell wie Du selbst. Du musst Dich nicht beeilen. Du musst Dich niemandem beweisen. Lass Dir Zeit, Deinen eigenen Rhythmus zu finden und hab den Mut und die Geduld, Dir die Räume zu suchen, die sich für Dich sicher und nicht überfordernd anfühlen. Fesseln darf wachsen, in Deinem Tempo und in Deinem Herzen.

Ich empfehle Dir daher: Erst dann einen Fesseltreff zu besuchen, wenn Du bereits erste Erfahrungen im Fesseln gesammelt hast. Das bedeutet aus meiner Sicht, mindestens ein oder zwei Fesselworkshops zu besuchen.

Zum Beispiel meinen Touch of Rope“ oder/und The Art of Rope. Dort kannst Du in einem sicheren Rahmen die Grundlagen lernen, Fragen stellen und Deine eigenen Grenzen kennenlernen und spüren.

Zusätzlich kann es hilfreich sein, Dich vor einem Fesseltreff mit einer kleinen Gruppe oder einer einzelnen Person auszutauschen, die schon länger im Fesseln unterwegs sind und um die Verletzlichkeit des Startes wissen. Schritt für Schritt baust Du so Deine innere Sicherheit auf und kannst gleichzeitig Deine Leidenschaft für Fesseln wachsen lassen.

Shibari Kurs Touch of Rope

Du möchtest Fesseln lernen?

In meinen Gruppenworkshops werden alle Teilnehmenden gesehen, wie sie sind. Es geht nicht nur um Knoten, Technik, Sicherheit. Du lernst auch,

  • … wie Du Deine Bedürfnisse und Grenzen kommunizierst
  • … Fesseln im Flow
  • … Übungsgruppe nach dem Workshop

Ich biete Dir Erfahrungsräume, in denen Du Dich mit Deinem Partner/in sicher ausprobieren kannst.

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